Kammerchor Concerto vocale
an der Universität Tübingen

              Rezensionen

Rezensionen zum Programm des WS 2023/24:

Martin Bernklau (GEA):

Die wunderbar atmenden Linien der Motetten von Felix Mendelssohn Bartholdy lieben alle Choristen, auch die majestätisch gespannten Klangdome von Heinrich Schütz, dessen Kunst nicht zuletzt auf Claudio Monteverdis Erweiterung frommer Polyphonie zum monodischen Ausdrucksgesang fußt. Der Hymnus „Ave maris stella“ aus Monteverdis „Marienvesper“ von 1610 in all seiner homophonen Pracht war da ein Höhepunkt, das unvergleichlich romantische „Abendlied“ von Gabriel Rheinberger gab den Schluss. Dazwischen ließen Motetten des Engländers Thomas Ravenscroft, des Spaniers Tomás Luis de Victoria oder des Franzosen Guillaume Bouzignac aus dieser Wendezeit von der Renaissance zum Barock aufmerken, dazu das hochbarock sechsstimmige Anthem „Nunc dimittis“ des genialen Henry Purcell.

Keine Schwächen, vorzügliche Intonation beim ungestützten Gesang a cappella, ein Stück schöner, geschmeidiger und intensiver als das andere aufblühend und wieder verklingend, von einer ausgefeilten Deklamation und Klangdelikatesse, wie man sie sich bei einem studentischen Chor kaum besser vorstellen kann – der ganz lange Beifall der begeisterten Motetten-Besucher war vollkommen verdient. Er galt natürlich auch dem Duo, das den Zuhörern die unbekannte Liedkunst Luise Gregers so ergreifend nahegebracht hatte. (21.01.2024)

Achim Stricker (Tagblatt):

Der universitäre Kammerchor zeigte sich nach der Corona-Zeit wieder auf rund 40 Stimmen vergrößert und verjüngt, mit kraftvoll ausbalancierten Stimmgruppen, besonders bei den achtstimmig doppelchörigen Mendelssohn-Motetten. Das Programm war liturgisch gereiht, orientiert auch am Repertoire des englischen Evensongs. Der 86. Psalm „Herr, neig´ zu mir Dein gnädig’s Ohr“ erklang erst in Heinrich Schütz’ Vertonung (aus dem Becker-Psalter) und dann in der Version seines englischen Zeitgenossen Thomas Ravenscroft („Lord, bow thine ear to my request“). Am schönsten zuletzt Josef Rheinbergers „Abendlied“.
(Schwäbisches Tagblatt 24.1.2024)

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Die Tagblatt-Rezension vom 12.07.2021 als pdf laden


Die Tagblatt-Rezension vom 28.01.2020 als pdf laden

Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 15.7.2019:

Sie lieben Brahms und seine Lieder

Tübingen. Diesen Chorklang würde man aus vielen herauserkennen: unverwechselbar in seiner sängerischen Haltung und wachsamen Präsenz, der sensibel erspürten und austarierten Balance von Intonation, Farbgebung und Textartikulation. Charakteristisch der außergewöhnlich „glockige“, obertonreiche Klang, den Peter Unterberg seit der Gründung des Kammerchors 1996 konstant über alle wechselnden Besetzungen hinweg weitergetragen und gepflegt hat. Das universitäre Ensemble aus Studierenden, Doktoranden und Nachwuchswissenschaftlern aller Fakultäten gehört seit ein paar Jahren zu den Arbeitskreisen der evangelischen Studierendengemeinde. In der Stiftskirchen-Motette ist Concerto vocale regelmäßig mit geistlichem Repertoire zu Gast, beim Sommerkonzert gab es wie immer ein weltliches Programm: Unterbergs besondere Liebe gilt Brahms, der am Donnerstag im Uni-Festsaal etwas monoman mit gleich neun Chorsätzen vertreten war. Daneben weitere Werke im volksliedhaften Ton der Biedermeier-Romantik: Schumanns „Am Bodensee“, Rheinbergers „Wiegenlied“, der Münchner Julius Maier mit Eichendorffs „Einsiedler“ und natürlich Mendelssohns „Abschied vom Walde“ („O Täler weit, o Höhen“). In Brahms’ „Waldesnacht“ ließen die zehn Frauen- und zwölf Männerstimmen mit suggestiv leisen, in ein fernes Pianissimo entschwindenden Klängen an eine hochgewölbte Sternennacht denken. Bei Brahms’ „Der tote Knabe“ machte Unterberg aus den melodisch immergleichen Strophen durch eine raffiniert differenzierte Dynamik und Vokalfarbe einen sich dramatisch entwickelnden Handlungsgang - textgenau psychologisch und klangbewusst. Dabei bewahrte er die schlanke Schlichtheit der Brahms’schen Chorsätze; mancher bekam sogar eine geradezu choralartige Feierlichkeit. Einen starken Kontrast dazu bildeten zwei moderne Werke. Wolfgang Stockmeiers Vertonung des zweiten althochdeutschen „Merseburger Zauberspruchs“ überlagerte ritualartig deklamierte Sprecheinsätze zu einem gedehnten Raunen aus Grau-in-Grau-Klangschlieren, drängte vorwärts in schubartigen Cluster-Eruptionen, um sich schließlich in einem großen aufsteigenden Crescendo zu öffnen wie ein himmelhoch riesiges Klangportal. Im Gegensatz dazu ließ die „unerhörte“ Zukunftsmusik „In futurum“ des Dada-Komponisten Erwin Schulhoff drei kurze Sätze lang nur Stille klingen. Wobei das vielsagend bewegte Dirigat beim Betrachter durchaus musikalische Assoziationen weckt. Wieder war auch die Tübinger Violinistin Martina Trumpp mit von der Partie: ein einziger, erfüllter Augenblick war die Sarabande samt Double-Variation aus Bachs Violin-Partita h-moll BWV 1002. Eine ganz andere Seite zeigte sie im Duo mit dem Stuttgarter Gitarristen Jonas Khalil: Mauro Giulianis „Abschied“ (ursprünglich ein Gitarren-Lied dieses Beethoven-Zeitgenossen) war eine gefühlvolle Serenade, Astor Piazzollas „Cafe 1930“ melancholische Tristesse. Spannende Farben in drei „Canciones espagnoles“ von Manuel de Falla: Flageolett-Obertöne lösten sich von den Gitarren-Sai-ten wie Seifenblasen; zärtlich leise die Violine, die Melodie im höchsten Flageolett wie gepfiffen. Brahms schloss zuletzt den Rahmen: „Der Falke“ und „In stiller Nacht“ - der Chorklang rund und rein zu einem homogenen Ganzen verschmolzen. ach

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Inspirierte musikalische Interpretation

Der Tübinger Kammerchor Concerto vocale mit romantischer Chormusik

"Selten hört man in der "Neuen Musik" eine so klare Führung der Phrasen und eine so präzise und packende Rhythmik. Durch das ganze Konzert hindurch konnte der Kammerchor die musikalischer Spannung und den Kontakt zum Publikum halten und erntete lang anhaltenden Applaus."

"(...) Glockenhell setzte der Sopran die Spitzentöne, strahlend fest zeigte der Tenor seine Stärke, während die Bässe das weitgehend polyphone Stimmengeflecht mit sonorer Tiefe füllten. Dieser Chorklang füllte den Raum sicher und rein, spürbar inspiriert durch das wache, energische und prägnante Dirigat von Peter Unterberg."
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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 26.01.2019:

Der Kammerchor Concerto vocale sang in der Stiftskirchen-Motette Psalmvertonungen aus ganz Europa.

Tübingen. Für die rund 500 Besucher der 2950. Stiftskirchen-Motette am Samstag hatten Peter Unterberg und sein Kammerchor Concerto vocale - 1996 an der Universität Tübingen gegründet - ein musikhistorisch spannendes und intelligentes Programm zusammengestellt. Mit der Reformation und Luthers Bibelübersetzung entstanden in den verschiedenen protestantischen Kirchen vielfach kunstvolle Nachdichtungen der Psalmen. Für Calvin etwa gehörte die lateinische gregorianische Psalmodie zum „römischen Aberglauben“. So ersetzte er in seinem „Genfer Psalter“ die antiken Verse durch gereimte französische Strophenlieder im Geschmack der Renaissancezeit. Ganz in Calvins Sinn vertonte Jan Sweelinck den 44. Psalm „Or avons nous de noz oreilles“: betörend schön in seiner linearen, puren Schlichtheit. Feingliedrig und berührend sakral der Klang der 20 Frauen- und Männerstimmen. Der Text emporgetragen in klarer und zugleich weich gezeichneter Transparenz. Auch die junge anglikanische Kirche brauchte neue Lieder: feierlich schreitende Anthems (Kir- chen-Hymnen) wie Stephen Jarvis' „I waited meekly for the Lord“. Verinnerlicht und andachtsvoll, heimgesucht von chromatischen Schatten Purcells „Remember not, Lord, our offences" nach dem anglikanischen Gebetsbuch, dem „Book of Common Prayer". Gefährdet zwischen Dur und Moll schwankend sein Bußpsalm 102 „Hear my prayer". Matthew Parker, anglikanischer Erzbischof von Canterbury, dichtete selbst den Psalter nach. Tallis’ Motette „Why fumeth in fight" (Psalm 2) nach dem „Archbishop Parker’s Psalter“ wurde berühmt als Thema von Vaughan Williams’ „Tallis-Fantasie“. Eindrucksvoll die in der Tiefe dahinziehenden Bässe unter dem leuchtend reinen Chorsatz. „Verleih uns Frieden gnädiglich"

Auf Luther-Melodien dichtete Cornelius Becker, Leipziger Pfarrer und Lehrer an der Thomasschule, 1602 die Psalmen nach. 1628 veröffentlichte Schütz 92 Chorsätze nach dem „Becker- Psalter“. Bewegte Unterstimmen trugen den Choral „Der Herr ist König überall“ (Psalm 97). Schütz’ „Verleih uns Frieden gnädiglich“ wiederum vertonte die Luther- Übersetzung der altkirchlichen Antiphon „Da pacem domine“. Im Vergleich dazu die Kontinuität der katholisch-lateinischen Tradition: ein anonym überliefertes „Laudate nomen eius“ (Psalm 100), Cristobal de Morales’ „Deduc me, Domine“ oder das Sanctus aus Rheinbergers Missa in G op. 151. Aufhorchen ließen immer wieder die höhensicheren Tenöre. Aus der protestantischen, Bach-geprägten Motetten-Tradition wiederum erklangen zwei Vertonungen des 90. Psalms „Herr Gott, du bist unsere Zuflucht für und für“: Mendelssohns doppel- chörige Version op. 79 mit behutsam hervorgehobenen Akzenten und eine etwas gelehrte Fassung des Brahms-Freundes Heinrich von Herzogenberg. Mit am schönsten ein russisch-orthodoxer Nachklang: Strawinskys „Pater noster“, eindringlich meditativ in seinen gleichförmigen Bewegungen. Ein humoriges Intermezzo im sakralen Programm war „In futurum“ von Dadaist Erwin Schulhoff. Die „unerhörte“ Zukunftsmusik ist auskomponiertes Schweigen: Drei Mal wird ein Akkord angestimmt, verstummt aber sofort wieder. Dennoch wird eindrucksvoll weitergeblättert und dirigiert - ein Vorläufer von John Cages Stille-Stück 4’33“. Erstaunlich, wie harmonisch reich und voll sich der Chorklang dann nach der Stille anhörte. Achim Stricker

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 23.01.2018:

Jubel und Jauchzen

Motette. Concerto vocale mit bezaubernder Klangwelt in der Tübinger Stiftskirche.

Tübingen. Die samstägliche Motette in der Stiftskirche gestaltete am vergangenen Samstag Concerto vocale, der Kammerchor an der Universität Tübingen. Für den Abschluss des Weihnachtsfestkreises hatte Leiter Peter Unterberg ein kleinteilig vielfältiges Programm geschickt unter dem Psalmmotto „Jubilate Deo“ zusammengestellt.
In sich homogen beatmen die vier Stimmgruppen punktgenau gemeinsam jede Phrase, im Sopran macht sich die Jugend der Sängerinnen besonders positiv bemerkbar, so präsentieren die ersten Sopranistinnen im Sanctus (1921) von Ralph Vaughan Williams einen bezaubernden Klang. Hier sind auch die anderen Stimmen mehr gefordert als in homophonen Kantionalsätzen wie Johann Hermann Scheins drei Strophen aus „Wie schön leuchtet der Morgenstern“. In Williams’ Messesatz antworten die Männer den ätherisch pendelnden Frauenstimmen mit Naturklängen, die vier Tenöre als mitschwingender Oberton der profunden Bässe. Dynamisch prägnanter, in der Faktur interessanter fordert dieser Satz den Chor auf ansprechende Weise,
während Giovanni Pierluigi da Palestrinas Gloria vor allem den Messetext gut verdeutlicht. Carl Philipp Emanuel Bach empfahl sich mit empfindsamem Choral als Vorläufer der Berliner Liedertafel, Thomas Tallis’ Psalm 67 als deutlich gereimtes und deklamiertes Gedicht. So reichte die vorgestellte Bandbreite von der Hochrenaissance eines Josquin Desprez über Peter Tschaikowskys Engelsgesang (in englischer Übertragung) bis ins 20.Jahrhun- dert, ein wahrlich interessanter, in jedem Akkord intonationssicherer Querschnitt. Bemerkenswert ragte aus der Vielfalt Mix Mendelssohns Motette „Jauchzet dem Herrn, alle Welt“ mit ihrem klangvoll achtstimmigen Mittelteil und schönen Steigerungen heraus, ebenso die funfstimmige Psalmvertonung des wenig bekannten Guillaume Bouzignac (1587-1643), eine Komposition mit eigenständig kontrapunktischer Satzweise und jubelnd aufmunternden Einschüben - eine Entdeckung, überzeugend interpretiert. Langer Beifall nach der Stille. ach

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 6.7.2017:

Magisch verheißungsvoll

Concerto vocale war unter der Leitung von Peter Unterberg romantisch gestimmt im Festsaal der Tübinger Uni.

Tübingen. Ein betörend schöner Chorklang: Seidig und durchscheinend, körperlos aus dem Nichts kommend, aus einem weithin tragenden Pianissimo. Ein sanft anhebender Seelenklang, wie ein Schleier in sachter Bewegung, mit einem Hauch Sopranglanz darüber. Die Stimmen des studentisch geprägten Kammerchors Concerto vocale, 1996 von seinem Leiter Peter Unterberg gegründet, klangen am Montag so homogen und rein, als wären sie nur verschiedene Saiten desselben Instruments, organisch sich entfaltende Blätter ein und derselben Blüte. Es war ihr Programm: romantische A-cappella-Chorsätze, darunter zahlreiche Mörike-Vertonungen, mit der zeittypischen Befindlichkeit zwischen Weltschmerz, unerlöster Sehnsucht und Todesahnung, ein Tonfall zwischen schlichtem Volkslied und andächtigem Choral. Brahms - einer von Unterbergs großen Favoriten - war mit acht Chorsätzen vertreten, etwa das berühmte „Abendständchen" („Hör, es klagt die Flöte wieder"), „In stiller Nacht", „Der Falke" oder „Waldesnacht". Von Rheinberger erklangen „Um Mitternacht", „Ein Stündlein wohl vor Tag" und das „Wiegenlied" nach Reinick. Die ersten vier Sätze aus Distlers „Mörike-Chorliederbuch" verfolgten die spätromantische Seelenspur bis in die freitonale Moderne hinein. Die Texte wurden psychologisch subtil, klangsensibel ausgeleuchtet, Details waren feinsinnig hervorgehoben. Bitter-süß und magisch verheißungsvoll Hugo Distlers „Denk es, o Seele" mit der Ahnung des eigenen, nahen Todes - die zögernde, stolpernde Textstelle „Vielleicht, vielleicht noch, eh an ihren Hufen das Eisen los wird, das ich blitzen sehe" wie ein für einen kurzen Moment aussetzender Herzschlag.
Gestalterisch reflektiert nuanciert waren Klangfarben und dynamische Zwischentöne, das Metrum schwerelos. Bisweilen wurde die Konsonanten-Artikulation stark zurückgenommen, um die Klänge möglichst vokalrein und zäsurlos strömen zu lassen. Ruhige, weitgespannte Phrasierungslinien mit lange nachklingenden Schlussakkorden.
Wieder krönte die Violinistin Martina Trumpp das Chorprogramm mit virtuosen Solo-Werken und ließ die Zuhörer im Saal staunen. Andante und Allegro aus Bachs Solo-Violin-Sonate a-moll BWV 1003 hat man so noch nicht gehört, ganz zu schweigen von der legendär schweren Chaconne aus Johann Sebastian Bachs Partita d-moll BWV 1004.
Hier offenbarten sich ungeahnte Klangwelten, Tiefendimensionen, Farbschichten, konzertierte Trumpp im Mehrsaitenspiel mit sich selbst eine berauschend vielstimmige, in allen Farben strahlende Musik. Eruptionen von poetischer Kraft, violinistischem Temperament und emotionaler Intensität. Man würde sich Martina Trumpp einmal mit Bachs Violinkonzerten wünschen.
ach

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 11.7.2015:

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Kristallisierter Klang

Das Sommerkonzert von Concerto vocale

Tübingen. 2016 wird der Tübinger Kammerchor Concerto vocale 20 Jahre alt. Bei der üblichen Fluktuation eines studentischen Ensembles erstaunt die Kontinuität seines unverwechselbaren Klangs: durchleuchtet, glockenartig strahlend, sensibel erspürt. Peter Unterberg ist ein ausgesprochener Vokalmusik-Dirigent, seine Zeichengebung minutiös auf die Gegebenheiten der menschlichen Stimme, den Fluss des Atems abgestimmt.

Am Donnerstag im Uni-Festsaal trat der Chor in aktuell hervorragender Besetzung auf: 16 Frauen- und zwölf Männerstimmen mit solistischen Qualitäten, ein makelloser A-cappella-Klang. Kyrie und Sanctus aus Tomas de Victorias Requiem evozierten eine verinnerlichte Stimmung. In Purcells "Remember not, Lord, our offences" blühten die Vokale auf und mit ihnen schien sich auch der Text zu öffnen, einen tieferen Sinn zu offenbaren.

Auch bei der Romantik faszinierte die Kongruenz von Klangformung und Wortausdeutung: Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn", Herzogenbergs 90. Psalm oder Tschaikowskys "Cherubinischer Gesang". Da kristallisierten sich staunende Klänge um herausgehobene Worte, spannten sich Linien in weiten Bögen und verjüngten sich zum Phrasen-Ende in perfekt konvergierendem Pianissimo.
Ein Meisterstück Brahms' "Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen": Jedes verzweifelte "Warum" sofort wieder verlöschend leise zurückgenommen, Impulse aus abnehmendem Licht. Ein ausgefeilter dynamischer Mikrobereich mit der Möglichkeit von Beleuchtungswechseln noch im feinsten Pianississimo. Nach der Motette "Ach arme Welt" stellte Concerto vocale ein kaum bekanntes "Dona nobis pacem" vor, Fragment einer unvollendeten Messe. Wolfgang Stockmeiers "Padre nostro" begann als murmelnder Gebetschor. Nach und nach verdichteten sich die Sprechzeiten zu Klang, einem sich langsam drehenden, grauen Clusterbündel, das zuletzt in abfallenden Linien zerrann. Knut Nystedts "Immortal Bach" hatte Unterberg neu eingerichtet; in Bachs Choralsatz "Komm, süßer Tod" bleiben immer mehr Töne "hängen", hauchdünn sich überlagernde Klangschleier in klarer Intonation.

Zwischen den Chorsätzen erfüllten Violinistin Martina Trumpp und Bratscher David Tejeda den Saal mit magisch schön musizierten Streicherklängen: Mozarts G-Dur-Duo KV 423, drei Bach-Inventionen und Johan Halvorsens virtuose Variatio-nen über eine Sarabande von Händel. Ein etwas kleinteiliges Programm mit häufigen Wechseln, aber auch guter Dramaturgie, um Chor und Streicher immer wieder neu zu erleben.
ach

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 18.2.2014:

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Edelsteine der Musik

Concerto vocale sang in der Tübinger Motette

Tübingen. Seit seiner Gründung 1996 hat sich dar studentisch-akademische Kammerchor Concerto vocale einen festen Platz in der Tübinger Chorlandschaft erarbeitet. Dazu gehören seit 2004 auch regelmäßige Auftritte in der Stiftskirchen-Motette - wie am Samstag vor 400 Zuhörern in der Motette zum Sonntag Septuagesimae („siebzig Tage" vor Ende der Osterwoche). Ensemblegründer Peter Unterberg hat in den 18 Jahren einen unverwechselbaren Vokalklang geschaffen. Ausgangspunkt seiner Chorarbeit war zunächst die Romantik, besonders Mendelssohn und Brahms. Seine erste Ausbildung erhielt Unterberg bei dem 2011 verstorbenen früheren Stiftskirchenkantor Gerhard Steiff, anschließend studierte er bei Dieter Kurz in Stuttgart. Nach diesem Auftritt in der Motette würde man sich wünschen, Concerto vocale noch häufiger zu hören, etwa auch bei Kantatengottesdiensten.

Seine Visitenkarte gab das Ensemble gleich eingangs mit doppelchörigen Werken von Mendelssohn ab. In einem Kyrie A-Dur entfalteten die 32 Sänger/innen, hälftig Frauen- und Männerstimmen, einen bezaubernd ätherischen Feinklang. Ein entschieden rhetorischer Zugriff mit präziser Textausdeutung erdet diese durchscheinend transparenten Klänge wieder. Erstaunlich, wie konsequent Unterberg seinen ästhetischen Ansatz über die Jahre verfolgt und ausgebaut hat.

Mendelssohns Psalm-Motette „Richte mich, Gott" verband eine natürliche Atemführung mit einer modulationsfähigen Tongebung. Vorbildlich artikulierten und konturierten hier die Tenöre den Text. Mit ebenso viel Engagement griffen auch die übrigen Stimmgruppen in Mendelssohns „Jauchzet
dem Herrn alle Welt" zu. Das abschließende „Ehre sei dem Vater" in stark verlangsamtem Tempo wie in Zeitlupe, mit einer ekstatisch sich aufspannenden Sopran-Höhe und herrlichen Vokalfarben.

Nicht nur in der angestammten Romantik überzeugte die aktuell sehr gute Besetzung von Concerto vocale. Auch homophon schlichte Liedsätze waren mit derselben Sorgfalt ausgestaltet, etwa drei Choräle aus Melchior Francks „Gemmulae Evangeliorum Musciae": „Musikalische Edelsteine" für die seinerzeit noch junge protestantische Kirche. Ein behutsam feinsinniger A-cappella-Klang, die knappen Strophen durch hervorgehobene Schlüsselworte angereichert.

Ebenfalls für die jungen evangelischen Landeskirchen schrieb Heinrich Schütz seinen „Beckerschen Psalter" auf Barockdichtungen von Cornelius Becker, darunter heute so bekannte Lieder wie „Wohl denen, die da wandeln". Die drei ausgewählten Sätze hatten tänzerische Diktion und Leichtigkeit.

Seine Ausdrucksvielfalt setzte Concerto vocale in der fünfstimmigen Schütz-Motette „Herr, auf dich traue ich" ein: jede Zeile mit neuem Affektgehalt. Abgerundet wurde das barocke Repertoire durch Hasslers „Cantate Domino" und Praetorius' „Erhalt uns, Herr".
Den beeindruckenden Abschluss machte aber ein Klassiker der Neuen Kirchenmusik, Wolfgang Stockmeiers „Vater unser": eine Collage aus Flüstern und Murmeln schiebt sich allmählich zu Klängen zusammen, steigt nach oben, öffnet sich in grellen Klangstrahlen. ach

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 26.06.2012:

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Die Cherubim

Sommerkonzert des Kammerchors Concerto vocale im Festsaal

Tübingen. Brücken zwischen Renaissance und Romantik schlug der Tübinger Kammerchor Concerto vocale unter Leitung von Peter Unterberg am Dienstagabend. Das "Kyrie" aus dem "Officium defunctorum" von Tomas Luis de Victoria eröffnete das Sommerkonzert im Festsaal der Universität. Auf den Punkt dirigiert und gesungen, entwickelte es eindringlich und ergreifend große Spannkraft.

Ruhe und Intensität strahlte Felix Mendelssohn Bartholdys Motette "Der hundertste Psalm" aus. Dabei beeindruckte das wie fein ziseliert gearbeitete Klangbild des Chors. Die einzelnen Stimmen schienen jeweils einen eigenen, jedoch fein aufeinander abgestimmten Farbton in den Gesamtklang einzuflechten. Die Fäden hielt Dirigent Unterberg sicher und bestimmt in der Hand. Die 27 Sängerinnen und Sänger - überwiegend Studenten und Mitarbeiter der Universität - führte er durch nuancenreiche und stimmige Interpretationen. Der Kammerchor Concerto vocale beeindruckte unter anderem mit exakter Intonation.

Unterberg verwischte durch seine Phrasierung die Interpretationsgrenzen zwischen Renaissance und Romantik und schlug so einen subtilen Bogen innerhalb des vielseitigen Programms. Durch wohl kalkuliertes Zurücknehmen der Stimmen wirkte der Chor umso kraftvoller. In dem liedartigen "Ize Cheruvimy" ("Die wir die Cherubim") Peter Tschaikowskys
interpretierten die Sängerinnen und Sänger jeden Vers individuell und exakt phrasiert. Eine bemerkenswerte Klangvielfalt zeigten auch die gut ausgebildeten Altstimmen, die ausgesuchte Passagen besonders dunkel färbten.

Das ohnehin abwechslungsreiche Programm bereicherten der Cellist Gregor Pfisterer und Ren Yong Jong am Flügel. Bei der Auswahl für ihr Duo-Programm mit Mendelssohn Bartholdys "Lieder ohne Worte", Charles Gounods "Ave Maria", Camille Saint-Saens' "Der Schwan" und Sergei Rachmaninoffs "Vocalise" hatten sie ausschließlich auf ausgesprochen bekannte Werke gesetzt. Diese interpretierte Pfisterer souverän und klangschön. Jong überzeugte nicht nur in der Rolle des Klavier-Begleiters, sondern auch mit seinem kurzen Solo-Programm: mit Franz Liszts irisierend schimmerndem "Liebestraum" und Frederic Chopins sprudelnder "Fantasie Impromptu" in cis-moll.

Auch den zweiten Teil des Abends eröffnete ein Werk Victorias. Das "Agnus Dei" aus der "Missa quarti toni" erschien wie sanft-schimmerndes Morgenlicht. Den Weg in die Gegenwart wiesen Knut Nysteds "Immortal Bach" und Wolfgang Stockmeiers "Vater unser", die beide bereits in früheren Konzerten des Concerto vocale zu hören waren. Ebenso wie das jüngste Werk dieses Abends: In einer überarbeiteten und gekürzten Fassung war das "Sanctus" zu hören, eine Komposition von Dirigent Unterberg selbst.        del

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 31.01.2011:

Samtiges Fluidum

Der studentische Kammerchor Concerto vocale in der Motette

Tübingen. Vor 15 Jahren rief der Musikwissenschaftler Peter Unterberg den Kammerchor Concerto vocale ins Leben. Unterberg, Musik-Dozent am Leibniz-Kolleg, hat nach Kursen bei Gerhard Steiff später bei Dieter Kurz in Stuttgart studiert. Zu den bislang größten Projekten in der Geschichte von Concerto vocale gehören das Mozart-Requiem und die Tübinger Erstaufführung von Schuberts Requiem-Fragment. Aber Unterbergs eigentliches Interesse liegt beim puren A-cappella-Klang. So gestaltete Concerto vocale die Stiftskirchen-Motette am Samstag mit Chorwerken vom Barock bis zur Gegenwart.

Der charakteristische Klang des Ensembles setzt in der Tübinger Chorlandschaft einen individuellen Akzent. Ein samtig geschmeidiges Fluidum, dynamisch sehr bewusst, mit vorbildlichen Abphrasierungen und organisch geatmeten Zäsuren. Unterberg formt die Vokalklänge plastisch, fast bildhauerisch. Dazu gehört das äußerst variable Tempo, das Unterberg der Aufführungssituation abspürt. Mit am schönsten gelang das bei drei Motetten aus Schütz' "Geistlicher Chormusik", die unter den 350 Zuhörern eine feierliche Stimmung und sakrale Ruhe ausbreiteten. Schwingende Glockenklänge, aufmerksame Sorgfalt im Detail - selten hat man Schütz' "Also hat Gott die Welt geliebt" so vollendet gehört. Die Zeile "auf dass alle, die an ihn glauben" nahm rhythmisch weich Anlauf, wurde leicht schneller und lauter und schwang genauso leicht und natürlich wieder zurück. Mustergültig ausgearbeitet waren auch zwei Motetten von Melchior Franck mit steilem, entschiedenem Crescendo, wobei hier manches forciert wirkte und der Sopran oft vor den anderen Stimmen vorneweg zog.
Seinen ursprünglichen Anfang nahm Concerto vocale von Brahms und bewahrte über die Jahre eine besondere Affinität zur Romantik: Ruhig und gelassen, in vollklingenden Auf- und Abschwüngen entfaltete sich der Klang bei Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn alle Welt" und "Herr, nun lassest du deinen Diener in Frieden fahren". Sehr schön auch Tschaikowskys "Cherubinischer Gesang", auf Russisch gesungen. Derart inspiriert, improvisierte Kantor Ingo Bredenbach als Orgelvorspiel zum Gemeindelied "Wach auf, wach auf, 's ist hohe Zeit" aus dem Stand eine druckreife vierstimmige Fuge und führte sie unter den Strophen als bewegte Toccata fort. Dabei setzte er markante Melodiesignale, sodass die Motettengemeinde das Kirchenlied mühelos dazu singen konnte.

Mit zwei eigenen Chorwerken zeigte sich Unterberg noch einmal als plastischer Klangformer: Sein kirchentonartlich gefärbtes Sanctus (2003/2010) verdichtete sich mit "hängen bleibenden" Haltetönen und zerbrechlichen Spaltklängen zu einem wogenden Klangteppich, prismatisch funkelnd wie die Sonne auf dem Meer. Nach einem engmaschigen Kanon öffneten sich alle 30 Stimmen zu einer pulsierenden Klangfläche.

Auch Unterbergs Neueinrichtung von Knut Nystedts "Immortal Bach" war packender als das Original. Der Bach-Choral "Komm süßer Tod" zog wie in einer Langzeitbelichtung "Klangschlieren": Bachs Stimmgefüge verschob sich zu 16-stimmigen Clustern, stockte und gerann zu vor Farbfülle fast berstenden Klangsäulen. Im Juli feiert Concerto vocale sein Jubiläum mit einem Konzert im Uni-Festsaal.
Achim Stricker

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 03.07.2010:

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Stilistische Vielfalt

Kammerchor Concerto vocale im Festsaal

Tübingen. Im Konzert des Concerto vocale am Donnerstagabend im Festsaal imponierte das Ensemble unter Leitung von Peter Unterberg mit einer enorm nuancierten Interpretation der vier- bis sechsstimmigen Motette "Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen" von Johannes Brahms.

Sowohl im "Sanctus" aus der doppelchörigen Messe von Ralph Vaughan Williams und dem "Benedictus" aus der Fragment gebliebenen "Missa canonica" von Brahms beeindruckte der Chor durch feine Abstufungen im Pianissimo-Bereich.

Spannend baute Unterberg die stetig zunehmende Satzdichte im Sanctus auf. Dass das Ensemble zur Zeit Verstärkung bei den ersten Sopranen und Tenören gebrauchen könnte, fiel nur an einer exponierten Stelle der Brahms-Motette auf. Deren Raffinesse wirkte durch den Kontrast zur zuvor erklungenen
zweiten Motette aus Brahms Opus 110, dem schlichten "Ach, arme Welt", besonders stark.

Stärkste gesangstechnische Herausforderungen, glänzend bewältigt, bildeten in der zweiten Programmhälfte die beiden geistlichen Gesänge Monteverdis, "Adoramus te" und der Hymnus "Ave maris stella" aus der Marienvesper. Fast zu viel des Guten an Differenzierung verwendete Unterberg für die recht einfach gesetzten vier Abschnitte aus Tschaikowskys Liturgie des Heiligen Chrysostomos.

Die beiden jungen Geigen Virtuosen Martina Trumpp und Marcus Tanneberger gefielen mit instrumentalen Intermezzi, besonders mit zwei Sätzen aus der C-Dur-Sonate von Prokofieff. Seine stilistische Vielfalt demonstriert der Chor wieder ein Mal mit Nystedts "Immortal Bach" und der nach starkem Beifall gewährten Zugabe, dem "Vater unser" von Wolfgang Stockmeier.
Thomas Ziegner

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 23.01.2009:

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Vorbildlich stilsicher

Concerto vocale sang in der Morizkirche

Rottenburg. Frisch aus dem Intensiv-Probenwochenende kam am Sonntagabend der Kammerchor Concerto vocale Tübingen in die Rottenburger St. Morizkirche, feilte kurz vor Konzertbeginn noch an Motetten von Mendelssohn. Sie wird das von Peter Unterberg geleitete Ensemble auch in der Motette am 7. Februar in der Tübinger Stiftskirche singen. Obwohl im Rottenburger Konzert einige Sängerinnen und Sänger krankheitshalber fehlten, gelang die Interpretation insgesamt nicht nur überragend klangschön, sondern auch vorbildlich stilsicher.

Was der Mendelssohn-Biograph Eric Werner über dessen geistliche Musik schrieb, sie habe "ein Janusgesicht, zugleich der Vergangenheit und der Zukunft zugewandt", wurde dank der nuancierten Gestaltung des Ensembles hörbar. Es fand die schier ideale Balance zwischen strahlender Kantabilität und liturgiebedingter Verhaltenheit vor allem in den Psalm-Motteten "Richte mich, Gott" (nach starkem, anhaltenden Beifall der rund achtzig Hörer/innen als Zugabe wiederholt)
und "Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir".

Musik- und stilgeschichtlich vielseitig war das Programm, enthielt Gesänge aus dem 16. (Palestrina) und 17. (Heinrich Schütz) Jahrhundert und eine experimentelle Montage: Der Marienhymnus "Ave maris stella" von Claudio Monteverdi mit Einlagesätzen vom rund hundert Jahre später komponierenden Alessandro Scarlatti kombiniert.
Drei zeitgenössische Werke sang der Chor bezwingend. Durch Cluster und Glissandi, Sprechgesang und Interjektionen erzielte die Vaterunser-Vertonung vom 1931 geborenen Wolfgang Stockmeier hohe expressive Intensität. Auf noch höhere Vielstimmigkeits-Dichtegrade zielt Chorleiter Unterberg in seinem "Sanctus" ab. Das 2003 entstandene Stück hat durch eine Überarbeitung 2006 an formaler Stringenz gewonnen. Zum Finale sang der Chor die "ImmortalBach" Motette des Copland-Schülers Knut Nystedt: toll.
toz

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 17.06.2008:

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Solche Glockentöne

Concerto vocale im Sommerrefektorium

Bebenhausen (ach). Klänge wie lichtdurchflutete Domkuppeln: "Geht zu seinen Toren ein", sang der Tübinger Kammerchor Concerto vocale in Mendelssohns "Jauchzet dem Herrn" und wie ein Portal weitete sich auch der Klang und darüber ging ein schimmerndes Prisma aus Obertönen auf. Selten hat man von einem Chor solche Glockentöne gehört. 1996 von Peter Unterberg gegründet, ist das weitgehend studentische Ensemble naturgemäß starken Fluktuationen unterworfen. Aber auf seine auratischen Klänge kann sich Concerto vocale seit 25 Semestern verlassen.

Diese wahrhaft sakralen Momente schienen auch im geistlichen A-cappella-Konzert am Sonntag immer wieder auf. Unterberg, Musik-Dozent am Tübinger Leibniz-Kolleg und Dirigierschüler von Gerhard Steiff, rührte und formte den Klang mit weiten Armen - man meinte mitunter, den früheren Stiftskirchenkantor selbst dirigieren zu sehen. Sacht, in weichem Legato setzten die 25 Stimmen Akkord um Akkord, wie behutsame Schritte auf heiligem Boden. Meist bewegte sich die Dynamik in dunkel leuchtenden Piano-Gefilden, an den sparsamen Forteakzenten fächerte sich der Chorklang in gleißenden Lichtstrahlen auf. Die Wirkung wurde durch die düstere Regenstimmung draußen noch intensiviert. Trüb hörte man die Turmglocke schlagen und herbstlich klamm war's im Sommerrefektorium.
Eine große Stärke des Kammerchors liegt bei seinen innigen Romantik-Interpretationen: Vollendet waren "Hebe deine Augen auf" aus Mendelssohns "Elias" oder Rheinbergers Hymnus "Dein sind die Himmel". "Nunc dimittis"-Vertonungen von Purcell und Mendelssohn stellte Unterberg einander gegenüber, dazu zwei Choralsätze über "Gloria sei dir gesungen" von Vater Bach und Sohn Johann Christoph Friedrich. Eindrucksvoll auch drei Einzelsätze aus Thomas de Victorias Requiem und Vaughan Williams' Messe in g.
Dazwischen spielte Wolfgang Sternefeld, Professor für Allgemeine Sprachwissenschaft, auf der Querflöte sechs Stücke aus Charles Koechlins "Chants de Nectaire" und die Allemande aus Bachs Zweiter Violin-Partita. Die einsam verklingenden Flötenmonologe passten zur andächtigen Atmosphäre, zumal Koechlins fantastisch-ornamentalen Impressionen. Allerdings unterbrach der Wechsel zuletzt zu oft den Ablauf und zerriss gerade bei den Gegenüberstellungen den Zusammenhang. Am Ende ein schmerzlicher Abschied vom Klang: In Wolfgang Stockmeiers "Vater unser" (1970) dehnte sich ein litaneiartiges Gemurmel zu kehlig windschiefen Clustern, verzerrten Schwebungen. Und in Knut Nystedts "Immortal Bach" fror der Bach-Choral "Komm, süßer Tod" buchstäblich ein.

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Gäubote Herrenberg vom 04.06.2008:

Schwebende Klänge im Raum

Kammerchor Concerto vocale: Tübinger gastieren in der Herrenberger Stiftskirche

    Aller guten Dinge sind drei: in diesem Monat gastieren drei auswärtige Chöre aus der Region in der Herrenberger Stiftskirche. Den Anfang machte am Sonntagabend der Tübinger Kammerchor Concerto vocale unter der Leitung von Peter Unterberg mit einem kurzen, aber eindrucksvollen Programm.

VON WOLFGANG TEUBNER
    Die Mitglieder und auch der Dirigent Peter Unterberg stammen aus dem Umfeld der Universität: Seit zwölf Jahren versucht man erfolgreich, historische Aufführungspraxis und Moderne miteinander zu verbinden.
Auch das Herrenberger Programm lebte von der Gegenüberstellung. Da wurden Teile eines Requiems für die Spanische Kaiserin von Thomas Luis de Victoria aus dem frühen 17. Jahrhundert um ein Sanctus aus einer Messe von Ralph Vaughan Williams aus dem 20. Jahrhundert gruppiert, da verglich man den Choral "Wachet auf, ruft uns die Stimme" in Fassungen von Johann Sebastian Bach und seinem Sohn.
    Interessant auch die Bearbeitung eines Sololiedes von Hugo Wolf für Chor von Clytus Gottwald mit einem unterlegten Text aus dem 12. Jahrhundert. Interessant ebenso das "Vater unser" des Kölner Orgelprofessors Wolfgang Stockmeier
für Chor von 1970, moderne Klangaphorismen und Sprechgesänge im schwebenden Raum.     Alt und neu gemischt letztlich auch der Bachchoral "Komm süßer Tod" in einer Fassung von Knut Nystedt aus dem 20. Jahrhundert.
    Ansonsten gab es drei Mendelssohn-Motetten im Vorgriff auf seinen 200. Geburtstag im nächsten Jahr: das Frauenterzett "Hebe deine Augen auf" und die vierstimmigen Sätze "Herr, nun lässest du deinen Diener" und "Der 100. Psalm".

    Dirigent und Chor arbeiteten in Ruhe, Zuverlässigkeit und größtmöglicher Präzision.
Die geschulten jungen Stimmen erzeugten einen sehr wandlungsfähigen und homogenen Chorklang.
Die Linien wurden mit großem Atem gesungen und ausgefüllt, wobei es dem Dirigenten gelang, auch großflächige Bewegungen zur Miniatur aufzufangen.

    Erstaunlich waren die musikalische Beweglichkeit und die gestalterische Vielfalt dieser geübten und bestens vorbereiteten Sängerschar. Der Applaus nach nur fünfzig Minuten Programm animierte zur Wiederholung einer Mendelssohn-Motette.

© Gäubote Herrenberg   

      
Untertext zum Presse-Bild:
Kammerchor Concerto vocale: Musikalische Beweglichkeit und gestalterische Vielfalt


Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 12.2.2008:

Concerto vocale

Kammerchor brillierte in der Motette

TÜBINGEN (del). Einen Ausschnitt der geistlichen Vokalmusik aus drei Jahrhunderten bot die sehr gut besuchte Motette mit dem Programm des Kammerchors Concerto vocale Tübingen am Samstagabend in der Stiftskirche. So begann die Reise mit dem Requiem des spanischen Meisters Thomas Luis de Victoria in der Renaissance. Unter der Leitung von Peter Unterberg schaffte es der Kammerchor mit viel Einfühlungsvermögen zunächst im Introitus und Kyrie, die Last des Todes und der Trauer hörbar zu machen. Im Gesamtklang ausgewogen, zeigten sich die einzelnen Stimmen präzise und sicher in der Intonation. Während im Sanctus die Melodiebögen des Soprans herausragten, erklang dieser im Agnus Dei in feinen, beinahe ätherischen Höhen. Nicht nur in der Psalmlesung war der Gesang des Simeon an diesem Abend zu hören. Als Motette "Nunc dimittis" von Henry Purcell kam vor allem die Freude Simeons zum Ausdruck. In Purcells wesentlich getragenerem Anthem "Remember not, Lord, our offences" harmonierte die Klarheit der Sopranstimmen, die Wärme in Alt und Tenor, sowie der solide Bass. Die Offensivität und veränderten Harmonien führten das Publikum mit Christoph Willibald Glucks Motette "De profundis" in das 18. Jahrhundert. Das etwa 100 Jahre später entstandene "Selig sind die Toten" von Josef Gabriel Rheinberger schloss sich zumindest inhaltlich an. Romantisch schloss der Kammerchor Concerto vocale mit Mendelssohn-Bartholdy sein Konzert und stellte mit der achtstimmigen "Motette zum Neujahrstag" einmal mehr sein Können und die Sicherheit jeder einzelnen Stimme unter Beweis.

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Konzert mit dem gleichen Programm in der gut besuchten Stunde der Kirchenmusik in der Stadtkirche Plochingen


Plochinger Nachrichten vom 7.2.2008:

Ein Requiem für die spanische Kaiserin und mehr

Stunde der Kirchenmusik

Mit dem Tübinger Kammerchor "Concerto Vocale Tübingen" unter der Leitung von Peter Unterberg bot die Veranstaltungsreihe "Stunde der Kirchenmusik" am vergangenen Sonntag den Besuchern ein außergewöhnliches Erlebnis und eine unbestreitbar hervorragende kulturelle Alternative zum Fasnetstreiben und Guggenmusik. Der Chor, 1996 von Peter Unterberg gegründet, besteht überwiegend aus Studierenden, Doktoranden und Mitarbeitern der verschiedensten Fakultäten der Universität Tübingen.    Über Tübingen hinaus ist der Chor nicht nur für seine einzigartigen und gekonnten A-Capella- Stücke bekannt, sondern vor allem für die gefühlvolle und meisterliche Umsetzung klassischer wie zeitgenössischer Chormusik.

    Das "Requiem für die spanische Kaiserin 1611" von Thomas Luis de Victoria bildete den Auftakt zu einem Konzertabend erster Klasse. Ob bei diesem Stück oder bei Felix Mendelssohn- Barthoidys "Nunc dimmittis - "Herr, nun lassest du deinen Diener in Frieden fahren" konnten die Zuhörer die fein ausbalancierte Reinheit und das klare Klangbild des Chores genießen.

© Plochinger Nachrichten   



Nürtinger Zeitung vom 28.06.2007:

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Makellose Reinheit und Schönheit des Klangs

Lebendige Musikgeschichte: Der Tübinger Kammerchor Concerto vocale überzeugte in der Martinskirche

Neckartenzlingen. Wer das Konzert des Tübinger Kammerchors Concerto vocale in Neckartenzlingen verpasst hat, sei aufrichtig bedauert. Mit sieben sehr unterschiedlichen Komponisten aus drei Jahrhunderten ließ der Kammerchor in der Martinskirche am Samstag ein Stück Musikgeschichte äußerst lebendig werden und stellte sein hohes musikalisches Niveau unter Beweis.
   Der Chor besteht aus Studierenden und Mitarbeitern der Universität Tübingen und wird im Lauf des nächsten Jahres auch in der neuen Stunde der Kirchenmusik in Nürtingen zu hören sein und voraussichtlich in der Kleinen Reihe des Kulturrings Neckartenzlingen. Chorleiter Peter Unterberg hat nach Dirigierkursen beim ehemaligen Tübinger Bezirkskantor Gerhard Steiff Chorleitung studiert und ist heute Dozent für Musik am Leibniz-Kolleg in Tübingen.
    Der Chor sang aus akustischen Gründen hinter dem Altar im romanischen Chorraum der Kirche, und diese Entfernung zum Publikum sollte der einzige Nachteil sein, den man dem jungen Chor an diesem Abend vorhalten könnte. Das Konzert begann mit Motetten aus der Geistlichen Chormusik von Heinrich Schütz aus der Zeit am Ende des Dreißigjährigen Krieges. Fein ausbalancierte Reinheit sorgte hier für ein sanftes und kristallklares Klangbild. Schwebungsfrei wurde intoniert, die einzelnen Stimmen waren hervorragend miteinander verbunden.

Es folgten von Monteverdi Selva morale e spirituale. Dabei handelt es sich um eine Art Mini-Kantate im Opernstil des 17. Jahrhunderts, die in der Vielfalt ihrer musikalischen Ideen enorm ist. An mehreren Stellen singt eine einzelne Chorstimme über eine längere Strecke solistisch. Dem Kammerchor Concerto vocale unter seinem Leiter Peter Unterberg gelang es, den Nerv dieser Musik in makelloser Reinheit und Klangschönheit zu treffen. Bemerkenswert, wie virtuos der Chor die schwierigen Harmonien bewältigte, es entstand eine eindrucksvolle, ausgereifte und bewegende Ausführung. Es wurde äußerst exakt musiziert, und trotzdem mit der nötigen organischen Flexibilität und Durchsichtigkeit.
   Danach erklangen Werke des Bach-Schülers Gottfried August Homilius und des Palestrina-Schülers Giacomo Carissimi, die ebenfalls mit großem musikalischem Einfühlungsvermögen vorgetragen wurden. Henry Purcells Hymne Remember not Lord our offences erlebte durch den jungen Chor und seinen Dirigenten eine vollendete Wiedergabe. Der versierte Organist Jörg Sauer spielte in der Mitte des Konzerts Orgelwerke von Johann Sebastian Bach, die ebenfalls gut gefielen.
   Der zweite Teil des Chorkonzerts begann mit Motetten von Anton Bruckner. In Christus factus est schwelgte der junge Chor in schwierigen Harmonien.
Hervorragende übereinstimmung in der Phrasierung erlaubte eine äußerst lebendige Breite des Ausdrucks. Bruckner überträgt in diesem Stück seine sinfonischen Vorstellungen auf einen Chor. Den einzelnen Abschnitten ordnete Dirigent Peter Unterberg ganz unterschiedliche musikalische Charaktere zu, es entstand eine regelrechte Chorsinfonie, eine groß angelegte musikalische Architektur. Fürs Publikum wirkte alles leicht: die von Bruckner vorgeschriebenen enormen Lautstärkewechsel und die atemberaubende Ausdeutung der Texte durch den Chor und seinen Leiter.
   Kunstvoll erklangen am Samstagabend auch Teile der russisch-orthodoxen Liturgie des Heiligen Chrysostomos von Peter Tschaikowsky, in Altkirchenslawischer Sprache gesungen. Als Zugaben mussten anschließend mehrere Stücke des Programms wiederholt werden.
   Peter Unterberg gelang es mit seinem Kammerchor, jedes einzelne Stück unverwechselbar zu machen. Bei jedem Komponisten entstand eine eigenständige, anschauliche Interpretation voller Emotion und Sensibilität. Musikalische Gestaltung und Ausdruckskraft standen dabei an erster Stelle. Unterberg beeindruckte durch ein ausdrucksvolles und sehr stimmiges Dirigat. Er animierte zu deutlicher, aber jederzeit in den Fluss der Musik eingebetteter Deklamation und bündelte die jungen Stimmen zu einem wunderbar einheitlichen, weichen und durchsichtigen Chorklang.

© Nürtinger Zeitung  

      


Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 30.01.2007:

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Perfektes Concerto vocale

ROTTENBURG (toz). Peter Unterberg, Leiter des Tübinger Kammerchors Concerto vocale, kennt die Errungenschaften der historischen Aufführungspraxis sehr wohl. Nur lässt er sich von deren Dogmen nicht musikalisch dumm machen. Am Sonntag gastierte der Chor in der Morizkirche, sang geistliche Werke aus dem 17. und 18. Jahrhundert, legte den Schwerpunkt auf den katholischen Süden, berücksichtigte aber auch den protestantischen Norden. Er begann mit Gesängen von Heinrich Schütz, Abschnitten aus dessen Vertonungen des 119. Psalms, ließ schon hier aufhorchen durch wohldosierte, vorsichtige dynamische Belebungen der meist starr und nüchtern vorgetragenen Werke (auch eine beklagenswerte Nachwirkung von Schütz' Beschlagnahme durch die Singbewegung in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, die ihn, den angeblich volksnahen, gegen den artifizielleren Johann Sebastian Bach ausspielte). Farbiger, in berückendem Legato gesungen folgte das "Kyrie" aus dem Requiem von Tomas Luis de Victoria, ehe der Chor - vorbildlich - Schützens Motette "Verleih uns Frieden genädiglich" anstimmte. Perfekt war die Deklamation, durchweg textverständlich, und wohltuend die Ausdruckskraft, die dem am Ende des Dreißigjährigen Krieges entstandenen Gesang zuteil wurde. Vorzüglich gelang es Unterberg, im "Sanctus" der vierstimmigen A-cappella-Messe Monteverdis den schwebenden Charakter der Vokalisen und die harmonischen Valeurs des Benedictus-Abschnitts herauszuarbeiten. Dirigentischen Mut zur extremen Langsamkeit, ohne zu schleppen, bewies er in einem Teil der Vaterunser-Vertonung von Homilius, und ein Höhepunkt im insgesamt schon hoch-klassigen Konzert war das fünfstimmige Karsamstags-Responsorium von Gesualdo di Venosa, "O vos omnes — O ihr alle". Perfekt bewältigte der Chor nicht nur die wegen der exzessiven Chromatik heiklen Intonationsaufgaben (besonders für die Altstimmen), er meisterte auch die klug durchdachte, differenzierte dynamische Gestaltung, die Unterberg ihm abverlangte, im Gesang Gesualdos Neue Musik in der alten entdeckend. Das krönende Finale bildete eine ingeniöse, in Rottenburg schon ein Mal erklungene Komposition Unterbergs selbst, das "Sanctus" für ein- bis dreißigstimmigen Chor.

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 04.07.2006:

Glockenhell und geisterschwül

Concerto vocale gab Jubiläumskonzert im Bebenhäuser Sommerrefektorium

TÜBINGEN (sz). Zurück zu den Anfängen führte der Kammerchor Concerto vocale am Sonntagabend die rund 160 Zuhörer(innen) beim Jubiläumskonzert im Bebenhäuser Sommerrefektorium gleich zu Beginn. Denn Brahms' Lieder ("Erlaube mir", "Abschiedslied", "Vergangen ist mir Glück und Heil") standen auch beim allerersten Auftritt des 1996 von Peter Unterberg gegründeten Chores im Studentenwohnheim Fichte-Haus auf dem Programm (wir berichteten). In steter Stimmarbeit hat sich der 30-köpfige Kammerchor zwischenzeitlich seinen unverkennbaren Klangcharakter erarbeitet — samtweich, schmelzend, dabei rhythmisch eigenwillig und in der Artikulation exakt.

Traurige Krönung

Von diesen Eigenschaften zeugten nicht nur die vier- bis sechsstimmigen Brahms-Sätze mit dem besonders innig und eingängig gestalteten Liebeslied "Dein Herzlein mild", sondern auch die nachfolgenden Vertonungen bekannter Mörike-Gedichte von so unterschiedlichen Komponisten wie Josef Gabriel Rheinberger ("Um Mitternacht", op. 31,2) und Hugo Distler (aus dem Mörike-Chorliederbuch, op. 18). Gespenstisch, beklemmend und "geisterschwül", wie es im Liedtext heißt, geriet Distlers "Traurige Krönung", die von der Geschichte eines durch Brudermord auf den Thron gelangten Königs und dessen nächtlicher Heimsuchung durch Gevatter Tod erzählt. Durch Beschleunigung der vorgegebenen Tempi und glockenhell-tremolierende Hall-Effekte erzeugten die Sänger(innen) eine Atmosphäre vibrierend-nervöser Anspannung,
die ein derart gebannt lauschendes Publikum zurückließ, dass selbst der sonst übliche Zwischenapplaus entfiel. Die Tübinger Harfenistin und Preisträgerin des Deutschen Musikrates, Petra Kruse, trat zwischen den Chören auf. Mit zarten, silbrig-glänzenden Glissandi, forsch forcierten Flageolettönen und virtuos-aufgefächerten Arpeggien begeisterte sie in Werken von Gabriel Pierné, Camille Saint-Saëns und Gabriel Fauré. Einblick darin, wie sehr sich Concerto vocale nicht nur den klassischen Kirchenmusiken, wie beispielsweise Felix Mendelssohn Bartholdys Motette "Jauchzet dem Herrn" (Psalm 100, op.69,2), sondern auch den Werken des 20. Jahrhunderts verpflichtet fühlt, gaben die technisch anspruchsvollen Interpretationen von Heinz Kratochwils "Zauberspruch" (1973), einer satirisch-sarkastischen Klangcollage aus Sing- und Sprechchören auf die propagandistischen Einflüsse der bunten Werbe- und Warenwelt — flüsternd, wispernd, stimmgewaltig.

Von Falken und Schwalben

Eindrucksvoll in der bruchlosen Elastizität der Übergänge, glockenhellen Klarheit der Linien und samtig-seidig glänzender Weichheit des Klangs gelangen auch Rheinbergers "Sanctus" und Wolfgang Stockmeiers komplexes, akkordisch-atonal gebrochenes "Vater unser" (1971). Hieran schloss sich die Uraufführung von Unterbergs 2006 überarbeiteter Komposition "Sanctus" nahtlos an. Moderne und Mittelalter verbinden sich darin zum 30-stimmigen, urgewaltigen Glockenklang. Als Zugabe wiederholte der Chor Brahms' poetisch-heiteres Volkslied "Der Falke" (op. 93a, 5) — und vor den Glasfenstern des lichtdurchfluteten Sommerrefektoriums flogen noch einmal munter die Schwalben auf.

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Leonberger Zeitung vom 27.06.2006:

Romantische und zeitgenössische Chorliteratur

Concerto vocale Tübingen zu Gast

Weil der Stadt. Romantische Chorliteratur und Vokalwerke zeitgenössischer Komponisten sind am Sonntagnachmittag in der katholischen Kirche St. Peter und Paul in Weil der Stadt erklungen: Der 1996 von Peter Unterberg gegründete Kammerchor Concerto vocale Tübingen war zu Gast. Der Kammerchor Concerto vocale Tübingen besteht überwiegend aus Studierenden und Doktoranden der Universität Tübingen. Überzeugte er schon bei den romantischen Werken, gingen die Sänger bei der zeitgenössischen Literatur ganz aus sich heraus. Der Romantik wandte sich der Chor unter anderem mit den Stücken "Scheiden", "Vergangen ist mir Glück und Heil" und "Dein Herzlein mild" von Johannes Brahms zu. Dabei überzeugte er mit fein differenzierten dynamischen Kontrasten. Neben harmonischen Einschüben vernachlässigte der gut disponierte Kammerchor die für Brahms typischen melancholischen Elemente keineswegs. Peter Unterberg achtete als umsichtiger Dirigent auch auf die kontrapunktischen Verästelungen der vielschichtigen Chorsätze. Josef Gabriel Rheinbergers "Um Mitternacht" imponierte mit einem gut herausgefeilten, strengen, kontrapunktischen Satz, wobei der Gegensatz zum romantischen Formenzerfall klar zum Vorschein kam. Rheinbergers "Sanctus" gefiel auf Grund der harmonisch schlanken Wiedergabe, die den Hang des Komponisten zu magisterlicher Übertreibung nicht übermäßig betonte. Hugo Distlers Sätze aus dem "Mörike-Chorliederbuch" von 1938 überzeugten mit geradezu expressionistischer Schwungkraft. Die bei Distler ständig zu spürende Weltangst trat deutlich in Erscheinung und entwickelte sich zu einem mahnenden akustischen Höhepunkt. Im Mittelpunkt des Konzerts standen jedoch zeitgenössische Chorwerke. Peter Unterberg gewann auch den theatralischen Momenten lohnende Akzente ab. Heinz Kratochwils Klangcollage über Werbung aus dem Jahre 1978 überraschte das Publikum mit vielschichtigen Cluster-Effekten, wobei auch serielle Einschübe mit Sprech-Effekten eine Rolle spielten. Der gesamte polyphone Apparat schien sich immer mehr zu erweitern. Unisono-Klänge und flimmernde Klangflächen signalisierten Stimmungswechsel, die mit filigranen Spielfiguren korrespondierten. Gesangliche Geradlinigkeit wurde bei dieser einfühlsamen Wiedergabe großgeschrieben. Wolfgang Stockmeiers "Vater unser" von 1971 beschrieb vielschichtige Motive und kunstvolle thematische Entwicklungen mit fein strukturierten Klangflächen. Dem Kammerchor Concerto vocale Tübingen gelang eine Interpretation aus einem Guss. Peter Unterbergs "Sanctus" für ein- bis dreißigstimmigen Chor (2003, revidiert 2006) spielte punktuell mit kaum wahrnehmbaren Einzeltönen.

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 24.01.2006:

Grandiose Vorpremiere

Kammerchor Concerto vocale in der Morizkirche

ROTTENBURG (toz). Vor allem um sich der mehrstimmigen Musik von Johannes Brahms zu widmen, gründete Peter Unterberg vor zehn Jahre mit Studierenden aller Fakultäten in Tübingen den Kammerchor Concerto vocale. Während dieser Zeit haben sich die Sängerinnen und Sänger ein imposantes Repertoire erarbeitet. Im Konzert am Sonntagnachmittag in der Rottenburger Morizkirche, öffentliche Generalprobe fürs Jubiläumskonzert heute um 20.15 Uhr im Festsaal der Universität, interpretierten sie zunächst stilsicher Monteverdis "Adoramus te"-Vertonung, bevor sie, unter Verzicht auf die übliche Streicherbegleitung, Mozarts "Ave verum corpus" sangen. Nach zwei "Sprüchen zum Kirchenjahr" von Mendelssohn (Opus 79, Nr. 3 und 4) folgte eine meisterliche Interpretation der vier- bis sechsstimmigen Motette "Warum ist das Licht gegeben dem Mühseligen" von Brahms, in der neben makelloser Intonation die enorm subtile dynamische Gestaltung beeindruckte. Sanft, ergreifend gelangen die Espressivo-Passagen der Worte aus dem Buch Hiob: "Die sich fast freuen und sind fröhlich, dass sie das Grab bekommen". Spannend, subtil zwischen den Stimmgruppen abgestimmt klangen die Crescendo-Verläufe im zweiten, sechsstimmigen Abschnitt, "Lasset uns unser Herz samt den Hände aufheben", besonders leuchtkräftig die Soprane im Schlusschoral "Mit Fried und Freud ich fahr dahin". Ein weiterer Höhepunkt war die (Vor)-Uraufführung eines "Sanctus", das Chorleiter Peter Unterberg 2003 komponiert hatte und in diesem Jahr revidierte. Bis zur 32-Stimmigkeit (!) erweitert sich der Chorsatz, erzeugt überaus wohlklingend die akustische Illusion eines Glockengeläuts. Ebenso viel Virtuosität und Sorgfalt wie für Brahmsens Meisterwerk brachte der Chor fürs "Pater noster" von Verdi auf, in perfekter italienischer Diktion, schmerzlich-flehentlichen Ausdruck in die chromatischen Wendungen legend. Die grandiose Vorpremiere schloss mit "Immortal Bach", der 16-stimmigen Paraphrase von Knut Nystedt über Bachs Choral "Komm, süßer Tod". Anhaltenden Beifall klatschten rund 120 Hörer/innen.

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Am Ende des Konzerts im Festsaal der Universität am 24.1.06, zwei Tage nach dem Konzert in Rottenburg



Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom Februar 2005:

Magier der Reduktion

Tübinger Chor Concerto vocale sang in der Morizkirche

ROTTENBURG (toz). Erstmals gastierte der vornehmlich aus Student(inn)en der Tübinger Universität bestehende Kammerchor Concerto vocale am Sonntag Nachmittag in Rottenburg. In der Morizkirche bot er eine von rund einhundert Hörer/innen wahrgenommene Alternative zum Fasnets-Treiben.

Ihr gut einstündiges geistliches Konzert begannen die Sänger/innen mit Werken von Felix Mendelssohn Bartholdy. Chorleiter Peter Unterberg, mit deutlichen, weitausholenden Gesten dirigierend, bestätigte seinen Ruf als "Magier der ersten und letzten Klänge, erhabener Anfänge und andächtig verklingender Schlüsse" (so die TAGBLATT-Kritik eines Konzerts in Tübingen).

Berückende, dabei niemals süßliche

Klangschönheit erzeugten die Sängerinnen und Sänger in der Psalmvertonung "Denn er hat seinen Engeln befohlen über dir". Die eindringlich gestaltete Motette "Jauchzet dem Herrn alle Welt" erklatschte sich das am Ende begeisterte Publikum als Zugabe.

Dabei schloss das Konzert nicht mit den wunderschön interpretierten Gesängen der mit süffiger Harmonik aufwartenden "romantische" Meister Mendelssohn, Bruckner und Rheinberger, sondern mit dem zunehmend nüchterner und herber komponierten "Pater noster" von Igor Strawinkij und dem "Magnificat" von Arvo Pärt. Dirigent Unterberg bewährte sich hier als Magier der Reduktion. Publikumswirksam vermittelte der Chor die subtilen Farb- Tempo- und Dynamik-Spannungen. Sie verliehen den Werken die Intensität von Exerzitien, die nur von exzellenten Interpreten erzeugt werden kann.

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Schwäbisches Tagblatt Tübingen vom 26.01.2004:

Hoffnungslos glücklich

Der Kammerchor Concerto vocale am Freitag im Uni-Festsaal

TÜBINGEN (ach). Und da sage noch jemand, früher sei alles besser gewesen: Unsere Vorfahren in der deutschen Romantik empfanden ein solches Ungenügen am irdischen Dasein, dass ihre unstillbare Sehnsucht nach einer besseren Welt zur "spezifisch deutschen Befindlichkeit" avanciert und der "Weltschmerz" in angelsächsischen Ländern zum Fremdwort geworden ist. Aber bei allem Weltschmerz samt klagenden Flöten und fernen Hornrufen hatten die Romantiker immer einen Trost: die Musik.

Dieser romantischen Gefühlslage mit ihrem Wechsel von Hochzeits- und Totenkranz widmete sich der Tübinger Kammerchor Concerto vocale bei seinem A-cappella-Konzert am Freitag vor rund 130 Zuhörern im Uni-Festsaal. Den 35 Sänger(inne)n unter Peter Unterberg gelang gleich im ersten Chorsatz, dem "Letzten Glück" von Brahms, eine einzigartige Interpretation. Das "hoffnungslose Glück" ließen sie durch dynamisches An- und Abschwellen spürbar werden, einen schubweise vorwärts drängenden Klang in alternierenden Impulsen. Unterbergs Klangdramaturgie ging teils weit über das übliche hinaus, riskierte das Extrem

und schuf so ein seltenes Hörerlebnis. Auch in Brahms' "Abendständchen", "Nachtwache" und "Waldesnacht" griffen eine balladeske Agogik mit schauspielerischer Plastizität, eine poetisch geführte Artikulation und die außergewöhnliche Ausdruckstiefe ineinander.

Mancher Programmpunkt hatte nicht das Potenzial zu solcher Detailarbeit, so Rheinbergers "Wiegenlied", Clara Schumanns unauffälliges "Gute Nacht" oder der volkstümelnde "Schmied" ihres Gatten. War der Weltschmerz manchmal nur Pose wie in Hugo Wolfs "Gottvertrauen", so wurde er bisweilen zur ausweglosen Tragik wie bei Distlers beklommenem "Denk es, o Seele". 

Die angekündigten Einlagen des Klaviertrios Vocalise mussten wegen Erkrankung von Julia Galic (Violine) entfallen. Stattdessen bot Trio-Pianist Wei Tsin-Fu mit Brahms "Klavierstücken" op. 118, Chopins "Fantaisie-Impromptu" und Mendelssohns hochvirtuosen "Variations sérieuses" mehr als nur einen Ersatz. Denselben Ausschnitt aus Mussorgskis "Bildern einer Ausstellung" hatte Wei-Tsin Fu auch beim Konzert des Concerto vocale im Januar 2002 gespielt.

© Schwäbisches Tagblatt Tübingen  

Foto: KCvT      
Nach dem Konzert am 23.01.04 im Festsaal der Universität

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